Die sichtbaren Zahlen am Internet haben zwar gut zur Entwicklung
des Umfragewerts gepasst -- zum Schluss drei Prozent. "Zum Schluss"
heißt hier allerdings: bis zum 17. Mai, acht Tage vor der Wahl.
Gekommen ist es anders, wie wir wissen. Magere 2,1 Prozent, was
für unsere schadenfrohe Agenda natürlich Gold ist. Keine Ausreden:
ich hätte bei einer Männerwette auf 3 Prozent Geld verloren.
Allerdings muss ich daran erinnern, dass es bei der ersten Wahl
mit Internet-Zahlen-Anstarren keine Anhaltspunkte zu irgendwelchen
Umrechnungsschlüsseln gibt. Ich konnte nicht wissen, mit welchem
Faktor die Facebook-Likes, Wikipedia-Zugriffe, etc. multipliziert werden
müssen, um auf die Zahl der Wähler zu kommen. Ob sich dieser Faktor
über die Zeit bis zur Wahl verändert und wie. Wie viele von den
Interessenten Sympathisanten sind und wie viele davon schadenfrohe
Schaulustige wie wir. Ich bezweifle allerdings, dass das für die
nächste Wahl möglich sein wird. Vielleicht kann man mit Hilfe des
Internet einen Erdrutschsieg oder einen Totalflog vorhersagen, aber
für Miniprozente wird so eine Internet-gestützte Prognose vermutlich
vager bleiben als die durch herkömmliche Umfragen. Diese Einsicht
betrübt mich ein wenig.
Völlig schmähstad bin ich mit der "Likes"-Beobachtung der
letzten Tage. Am Tag der Wahl hatte die E.I.A.-Website knapp
6000 Likes. DANACH schnalzten diese "Likes" PRO TAG um mehr als
1000 hinauf, um in der Nacht vom 28. auf den 29. über 10.000 zu
erreichen. In der Nacht darauf krachten die "Likes" auf 7000
zurück.
Was hat das zu bedeuten? 3000 Leute haben es sich im Verlauf des
Feiertags anders überlegt? Wie kanns sowas geben? Ich glaube eher,
dass ich irgendeine Facebook-Metrik nicht richtig verstanden habe.
Social Media-Experte müsste man sein...
Der Wert für "sprechen darüber" ist dafür explodiert und hält
bei fast 7000 (6784). Was das genau zu bedeuten hat, ist aber überhaupt
ein Betriebsgeheimnis von Zuck the Suck.
Wer Recht behalten hat, sind die Politologen Pjotr und Alexus, die
keinerlei Analyse gebraucht haben, um wie aus der Pistole
geschossen zu prophezeihen: "Keine Kohle = keine Prozente". Ich
bezweifle aber noch immer, dass das ein Naturgesetz ist. Meiner
Ansicht nach hatte der E.I.A.-Wahlkampf seine operativen Momente,
aber
- Hypo war offenbar das falsche Gimmick (hat niemanden interessiert,
muss jetzt totgeschwiegen werden)
- E. war offenbar das falsche Gimmick (schnitt bei Publikumsumfragen
im Fernseher schlecht ab)
- Themen waren für das angestrebte Publikum zu populistisch und
deren Darbietung hatte zuwenig Tiefe
Der letzte Punkt ist mehr eine Spekulation, aber ich vermute, dass
E.I.A. in erster Linie von oberflächlichen SchwärmerInnen gewählt
wurde, die sich für den armen Underdog erwärmten. Davon gibts aber
nicht genug für einen Einzug. Diesen Wählern waren die Mängel in
den Themen und ihrer Darbietung egal, weil sie eh nie mitdenken
oder genau hinschauen -- Hauptsache Gefühle. Diese Demographie
hätte man auch mit Bildern von Dackeln oder Gschroppen kassieren
können. Extra Wähler hätte es für extra Substanz gegeben, z.B.
glaubwürdige, halbwegs einleuchtende ERKLÄRUNGEN von Leuten,
die was von den Themen verstehen. Die Vorträge vom E. über
Lobbyismus in der EU gingen in die richtige Richtung, aber leider
konnte er nur zwei davon halten, weil er ja mit Wollmütze und
Schal Camping machen musste. Camping brachte zwar Aufmerksamkeit,
aber die Schwärmer, die der E. darum kaufte, brachten enorme
Opportunitätskosten, und nicht nur jene, dass er damit alle
Wähler verprellte, die einen Abgeordneten lieber im dafür
vorgesehenen Parlament sehen als im Wohnmobil.
Das alles ist aber nicht der größte Mangel des Wahlkampfs.
Den größten Mangel zeigen die Zahlen am Internet nämlich sehr
wohl: E.I.A. konnte am Internet keine Aufmerksamkeit für sich
ERZEUGEN. Das Forum interessierte niemanden (große Überraschung
bei einem Geheimforum); die Videos interessierten kaum jemanden;
die Texte brauchten niemanden zu interessieren, denn die waren
eher fad; die Einschaltquote für Facebook- und Youtube-Angebote
war ausschließlich durch geschenkte Gratis-Spalten und -Sendeminuten
getrieben. Ohne dieses Mäzenatentum hätte sich für die Inhalte
von E.I.A. überhaupt niemand interessiert. Hier halten wir
ein Riesenmissverständnis der Bündnispartner am Rockzipfel:
sie jammern zuviel über die bösen Medien, die ihnen nicht mehr
schenken. Sie sind besessen von Massenmedien, und wie man sie
in Gratiswerbung hineinsuckert, statt sich zu überlegen, wie
man einem Publikum was bietet. Es sind nicht die Medien,
die wählen, sondern die Leute. Journalisten sind wichtig, aber
nur auf die Journalisten zu schielen, ob man eh alles richtig
macht, ist ein Holzweg.
Leider hat das Bündnis damit eine Gelegenheit verschenkt,
den Wahlkampf wenigstens für die Promotion IHRER Themen
zu nutzen. Ich ging im Februar noch davon aus, dass das
eigentlich das Ziel ist, nicht Einzug ("Bündnis wirkt, und
wie das wirkt" -- klar, weils das Bündnis in die Medien
bringt, und damit die Themen). Dafür gehen Miniprozentler
ja in einen Wahlkampf, wie ich dachte, auch einen aussichtslosen:
weil Wahlkampf der beste Vorwand ist, um was von den Themen zu
erzählen, die einem am Herzen liegen. Das dürfte auch der
bewährte Trost innerhalb der KPÖ sein. So ein wohltuender und
ehrenvoller Wahlkampf-Effekt wird aber durch jede Form von
Populismus vereitelt, denn damit bringt man nicht mehr SEINE
Themen unter die Leute, sondern IRGENDWELCHE, von denen
man halt denkt, dass sie Journalisten und die Massen irgendwie
interessieren könnten. Genau das hat E.I.A. sehr offensichtlich
und ohne viel Genierer betrieben.
Trotz des schlechten Abschneidens und trotz der offensichtlichen
Stümpereien bot E.I.A. den besten Miniprozentwahlkampf der
Republik, allerdings bloß, weil die bisherigen Miniprozentparteien
bisher eigentlich gar nichts machten und überhaupt keine Ideen
hatten.