Author Topic: Barrierefreiheit ist ein privates Problem.  (Read 315 times)

hellboy

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Barrierefreiheit ist ein privates Problem.
« on: 2014, 09, 18; 21:14:22 »
Quote from: taz
Barrieren für Rollstuhlfahrer
Das Privatproblem eines Piraten
Dem Landtagsabgeordneten Stefan Fricke aus NRW wird die Teilnahme an einer Dienstreise verweigert. Er darf nicht mit, weil er im Rollstuhl sitzt.

DÜSSELDORF taz | Der rot-grün dominierte Düsseldorfer Landtag will, dass behinderte und nichtbehinderte Kinder an den Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen gemeinsam lernen. Doch derzeit sieht sich die Landtagsverwaltung noch nicht einmal dazu in der Lage, einem Abgeordneten im Rollstuhl die Teilnahme an einer Auslandsdelegation zu organisieren.

Der schwer contergangeschädigte Landtagsabgeordnete Stefan Fricke von der Piratenpartei ist Mitglied der Parlamentariergruppe Türkei. Im Oktober will die Gruppe Ankara, Istanbul und Zonguldak besuchen, die Partnerstadt von Castrop-Rauxel. Fricke hat extrem kurze Arme und Beine. Er braucht einen speziellen Rollstuhl.

Im Juni teilte die Landtagsverwaltung seinem Büro mit, dass nach Auskunft der Deutschen Botschaft der Transfer innerhalb der Türkei schwierig werden könnte, weil es keinen geeigneten Bus und keine barrierefreien Sanitäranlagen auf den Wegen gäbe. Eine Lösung für dieses Problem bot die Verwaltung nicht an. Stattdessen hat sie den Abgeordneten einfach von der Teilnehmerliste gestrichen.

Gegen diese Diskriminierung hatte Fricke in der vergangenen Woche Klage vor dem Landesverfassungsgericht eingereicht. „Es hat mich viel Überwindung gekostet, diese Angelegenheit vor Gericht zu bringen“, schreibt er. „Aber die Reaktionen zeigen mir, dass Behinderte auch heute noch Menschen zweiter Klasse sind.“

„Wir halten uns als Fraktion komplett raus“

Die Landtagsverwaltung versucht, sich herauszulavieren. Sie behauptet, Fricke habe sich selbst von der Reise abgemeldet. Doch eine dazu erforderliche persönliche Erklärung hat Fricke nicht abgegeben. In der Klageentgegnung des Landtags heißt es, die Verwaltung habe sich „umfassend bemüht“. Es habe sich aber herausgestellt, dass „eine barrierefreie Teilnahme an der Reise nicht ermöglicht werden konnte“.

In einer Pressemitteilung hält die Landtagsverwaltung Fricke sogar vor, was sie bislang für ihn getan hat, unter anderem habe sie im Landtag „unter großem finanziellen Aufwand eine eigene Dusche plus Toilette eingerichtet“. Außerdem sei ihm durch „das Engagement der Landtagsverwaltung“ die Teilnahme an einer Informationsreise nach Berlin ermöglicht worden.

Die Piratenfraktion ist der Meinung, die Angelegenheit sei Frickes Privatproblem. „Wir halten uns da als Fraktion komplett raus“, sagte Sprecher Ingo Schneider der taz. Man sehe hier keinen Fall von Diskriminierung. „Wenn die Landtagsverwaltung sagt, sie hat alles getan, glauben wir das.“

Hinter den Kulissen hätten Fraktionskollegen mit E-Mails und per Telefon massiv auf Fricke eingewirkt, die Klage fallen zu lassen, heißt es in dessen Umfeld. Am Mittwoch hat Fricke aufgegeben und ließ die Klage fallen. „Weil ich gesundheitlich dem, seit dem Bekanntwerden dieser Sache, entstandenen Druck aus der Fraktion der Piratenpartei nicht mehr standhalten kann“, teilte er mit.

http://taz.de/!146179/

Die offizielle Reaktion des Landtages hab ich gefunden

Quote from: Landtag NRW
Zur Klage des Abgeordneten Fricke gegen den Landtag

(11.9.2014) Zum Organstreitverfahren des Abgeordneten Fricke gegen den Landtag NRW erklärt die Pressestelle des Parlaments:


1. Die Behauptung des Abgeordneten Fricke, er sei von der Teilnehmerliste für eine Informationsreise der Parlamentariergruppe NRW-Türkei gestrichen worden, ist unzutreffend.
2. In der Vorbereitung der Türkei-Reise der Parlamentariergruppe NRW-Türkei vom 12. bis 18. Oktober 2014 hat die Landtagsverwaltung vielfältige Anstrengungen unternommen, die Teilnahme an der Reise für den Abgeordneten Fricke zu gewährleisten.
3. Sowohl die kontaktierten Reisebüros als auch die offiziellen Ansprechpartner in der Türkei haben mehrfach Bedenken hinsichtlich der für Herrn Fricke erforderlichen Barrierefreiheit geäußert. Laut dieser Auskünfte stehe ein entsprechend ausgestatteter barrierefreier Bus für die Türkei-Reise nicht zur Verfügung. Außerdem könne nicht garantiert werden, dass auf der Strecke der beiden notwendigen mehrstündigen Busfahrten entsprechende sanitäre Einrichtungen vorhanden seien. Auch in der Klageschrift gegen den Landtag wird konstatiert: "Solche Wagen gibt es nicht in der Türkei…".
4. Die Landtagsverwaltung informierte den Abgeordneten Fricke zeitnah über die geäußerten Bedenken. Am 24. Juni 2014 erklärte das Büro des Abgeordneten, dass dieser sich" genötigt" sehe, die Reise abzusagen.
5. Aufgrund dieser Absage wurden die bereits gebuchten Flüge und Hotelreservierungen storniert.
6. Den Vorschlägen des Abgeordneten Fricke, einen behindertengerechten Bus von Deutschland in die Türkei zu transferieren, Transportmittel des türkischen Militärs für ihn zu ordern sowie in der Türkei einen Bus behindertengerecht umzubauen, konnte aus nachvollziehbaren Gründen nicht entsprochen werden.
7. Der Landtag Nordrhein-Westfalen lässt sich nicht vorwerfen, sich nicht für Menschen mit Behinderungen einzusetzen. Gerade für den Abgeordneten Fricke hat der Landtag erhebliche Leistungen erbracht. So hat ihm der Landtag unter großem finanziellen Aufwand eine eigene Dusche plus Toilette eingerichtet, finanziert einen zusätzlichen Mitarbeiter und stellt ihm einen behindertengerechten PKW zur Verfügung. Das Engagement der Landtagsverwaltung zeigte sich aber auch bei vorangegangenen Reisen. So wurde u.a. dem Abgeordneten Fricke die Teilnahme an der Informationsreise der Parlamentariergruppe NRW-Türkei nach Berlin Anfang 2014 ermöglicht.
 

Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags
Redaktion: Hans Zinnkann, Pressesprecher; Florian Melchert, stv. Pressesprecher
Telefon: 0211/884-2850   Telefax: 0211/884-2250
E-Mail:  hans.zinnkann@landtag.nrw.de

Welche diese angeblich nachvollziehbaren Gründe sein sollen, nicht einen behindertengerechten Bus mit eingebauter Toilette in die Türkei zu überstellen, und den zB dem diplomatischen Dienst und medizinischen Einrichtungen für die Zukunft zur Verfügung zu stellen, erschließt sich mir nicht.

Ich habe bei der Piratenfraktion NRW, den 20 Piraten und dem Landesvorstand der Piraten NRW nach einer offiziellen Stellungnahme gefragt, aber keine Antwort bekommen. Alles was im Netz herumschwirrt sind Gerüchte, daß Fricke sich total unbeliebt gemacht, und seinen "Behindertenbonus längst verspielt" hätte. Macht ein super Bild in der Öffentlichkeit, mal wieder.

ahoy
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Ich find noch immer nur gute Ratschläge, man solle sich doch die Informationen von den 20piraten holen. Das ist absolut nicht ausreichend, ja sogar der Megafail in der Öffentlichkeitsarbeit. Wenn sowas in den Medien auftaucht, muß es sofort eine offizielle Stellungnahme geben.

Es nutzt auch nix, daß mir Piraten die ich sehr schätze versichern, daß die 20piraten im Recht sind, und daß jeder der die Faktenlage kennt das auch so sieht, wenn es keinerlei öffentlich einsehbare Stellungnahme gibt. Das widerspricht allem, wofür die Piraten stehen. Dinge einfach aussitzen mag ja bei Merkel funktionieren, aber genau deshalb sollten wir das anders machen. Wir stehen für Transparenz und vor allem dafür, daß das nicht nur ein leeres Schlagwort ist.

Der öffentlichen Darstellung wird einfach nicht widersprochen, und somit steht die Fraktion als ein Haufen rücksichtsloser Leute da, die sich nicht um die Probleme ihres Behinderten Kollegen scheren. Ich verstehe einfach nicht, was der Plan dahinter sein soll. Nichts zu sagen ist in dieser Situation das dümmste, was man machen kann, und genau das wird gemacht. Egal was die sich dabei denken, sie liegen falsch.

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Quote from: knautschzone
Inklusion um jeden Preis?

Unsere 20-Piraten-Fraktion macht das, was sie schon immer getan hat - sie verspielt jeden Ball! Es geht um das Thema Stefan Fricke und seine abgesagte Reise in die Türkei. Die TAZ nahm sich dieses Themas an und schrieb: " ... derzeit sieht sich die Landtagsverwaltung noch nicht einmal dazu in der Lage, einem Abgeordneten im Rollstuhl die Teilnahme an einer Auslandsdelegation zu organisieren."

Betrachtet man die Pressemitteilung der Verwaltung des Landtags NRW in Sachen Klage von Stefan Fricke, sind insbesondere die Punkte 6 und 7 in der Pressemitteilung die interessantesten. Unter Punkt 6 steht geschrieben, Zitat: "Den Vorschlägen des Abgeordneten Fricke, einen behindertengerechten Bus von Deutschland in die Türkei zu transferieren, Transportmittel des türkischen Militärs für ihn zu ordern sowie in der Türkei einen Bus behindertengerecht umzubauen, konnte aus nachvollziehbaren Gründen nicht entsprochen werden."

Ich meine, das kann man verstehen. Inklusion ist nun mal noch nicht überall auf der Welt ein Thema. Man versucht nun selbst mit allen Mitteln, die Chance zu erhalten, als Landtagsabgeordneter und Mitglied der Parlamentariergruppe Türkei seine Aufgaben wahrzunehmen. Leider bleibt Stefan das Ganze an dieser Stelle versagt. Ob man nun aber gleich "Panzer" dazu umbauen lassen muss, oder einen umgebauten Bus vom Landtag für die Reise in die Türkei zu fahren, den Reiseweg mit behindertengerechten Toiletten zu versehen und anderem, das ist angesichts der Kosten, die das verursacht und für einen einmaligen Weg doch etwas ... nun sagen wir - zu viel des Guten.

Also, diese Forderungen sind jenseits von gut und böse. Nur gut, dass es keine Gruppe Himalaja gibt oder eine Gruppe Urwald. Sonst müsste ein Weg zum Gipfel geebnet werden oder ein Pfad durch den Dschungel geschnitten. Leider ist es so, Inklusion ist im Rahmen von Möglichkeiten eine sinnvolle Sache. Es gibt aber Grenzen, und diese sind hier erreicht.

So weit könnte man nun Stefan den schwarzen Peter in die Schuhe schieben. Was nun aber passiert, ist mal wieder typisch für unsere Piratenfraktion. Man hält sich komplett raus. Ach nee? Warum eigentlich?

Punkt 7 in der Pressemitteilung der LT-Verwaltung listet nun detailliert auf, was alles für diesen speziellen Abgeordneten im Landtag gemacht wird? Ich zitiere den ganzen Absatz: "Der Landtag Nordrhein-Westfalen lässt sich nicht vorwerfen, sich nicht für Menschen mit Behinderungen einzusetzen. Gerade für den Abgeordneten Fricke hat der Landtag erhebliche Leistungen erbracht. So hat ihm der Landtag unter großem finanziellen Aufwand eine eigene Dusche plus Toilette eingerichtet, finanziert einen zusätzlichen Mitarbeiter und stellt ihm einen behindertengerechten PKW zur Verfügung. Das Engagement der Landtagsverwaltung zeigte sich aber auch bei vorangegangenen Reisen. So wurde u.a. dem Abgeordneten Fricke die Teilnahme an der Informationsreise der Parlamentariergruppe NRW-Türkei nach Berlin Anfang 2014 ermöglicht."

Das hört sich nun aber echt danach an als ob Stefan dem Landtag auf ewig dankbar sein müsste? Oder gar die ganze Piratenfraktion?

Statt das nun als Steilvorlage zu nehmen und eben hier genau das Versagen der Landtagsverwaltung und der Landesregierung unter die Nase zu reiben, hält man sich eben lieber heraus und macht das zu einer privaten Angelegenheit von Stefan. Der Landtag ist eine öffentliche, dem Bürger zugewandte Instituition, die es bis zu Stefans Antritt als Abgeordneter noch nicht geschafft hatte, behindertengerecht den Landtag (um) zu bauen? Was ist das für eine Verwaltung, bzw. für eine Landesregierung, die Inklusion als notwendiges Übel betrachtet, statt auf Anliegen dieser Menschen einzugehen? Bis heute dürfen nur Blindenhunde in den Landtag hinein. Hunde, die Menschen mit Gebrechen bei ihren ganz alltäglichen Problemen helfen, Dinge aufheben, Türen öffen usw., sind bis zum heutigen Tag im Landtag nicht gestattet!

Ganz offensichtlich ist weder unsere Landesregierung unter SPD und Grünen in der Lage dazu, "Inklusion" als Problematik in Gänze zu verstehen, noch sind die 20 Piraten fähig, angewandte Politik zu machen! Es sollte, insbesondere für unseren Landtag, eine Selbstverständlichkeit sein, Menschen mit Behinderungen ernst zu nehmen und nicht auszugrenzen. Stefan muss sich, angesichts dieser Veröffentlichung, jetzt noch bedanken, dass man "immense Kosten aufgewendet hat"? Das ist für mich ein schlechter Witz.

Der Landtag ist die oberste politische Instanz auf Landesebene und das Gebäude sollte dementsprechend in Vorbildfunktion eine barrierefreie und behindertengerechte Nutzung für jeden Bürger ermöglichen, egal ob Abgeordneter, Angestellter oder Besucher. Inklusion nur für andere, weil man das ja per Gesetz so anderen aufdrücken kann?

Hat man noch nie davon im Landtag gehört, dass man Dinge auch vorleben kann? Zitat Pressesprecher 20 Piraten: "Die Piratenfraktion ist der Meinung, die Angelegenheit sei Frickes Privatproblem. „Wir halten uns da als Fraktion komplett raus“, sagte Sprecher Ingo Schneider der taz. Man sehe hier keinen Fall von Diskriminierung. „Wenn die Landtagsverwaltung sagt, sie hat alles getan, glauben wir das.“ "

Tja, ich betrachte das Ganze als verspielten Ball. Auch wenn es möglicherweise private Sachen sind, die Fraktion sollte dennoch zeigen, dass Stefan nicht allein mit seinem Problem ist. Ich glaube auch an den Weihnachtsmann.

Ein Geschmäckle hat das Ganze zusätzlich. Interner Mailverkehr der Piraten, um die Klage fallen zu lassen? Druck, der ausgeübt wurde? Weitere Fragen, die sich an dieser Stelle auftun.

Daher - Leute - so geht es nicht! In diesem aktuellen Fall: Man hätte trotz möglicher interner Konflikte den Elfmeter auf das richtige Tor schießen können! Stattdessen macht man ein Eigentor + rote Karte daraus.

Links:
http://www.taz.de/Barrieren-fuer-Rollstuhlfahrer/!146179/
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/GB_II/II.1/Pressemitteilungen-Informationen-Aufmacher/Pressemitteilungen-Informationen/Pressemitteilungen/2014/09/1109_Stellungnahme_Klage_Fricke.jsp

http://knautschzone.blogspot.de/2014/09/inklusion-um-jeden-preis.html

amen!

ahoy
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