Author Topic: Identitäre Demokratiegefährdung: Rechtspopulismus für Mitläufer und Patrioten  (Read 613 times)

hellboy

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Patrioten waren schon immer "Idioten". Wer nichts hat als die Tatsache, dass er zufällig in einem bestimmten Land geboren ist, hat gar nichts. Idioten im Sinne der alten Griechen, die das Wort erfunden haben, welches ursprünglich Leute bezeichnet, die sich nur für sich selbst und ihre Befindlichkeiten, aber nicht für die Interessen der Allgemeinheit und die Bedürfnisse der Gesellschaft interessieren.

Ein paar Zitate von Literaten und Philosophen zum Thema Patriotismus (ich weiß, ein paar davon enthalten sehr deutliche Formulierungen, aber Schopenhauer und Bierce wird man es glauben müssen, und wer bin ich, solche Menschen zu kritisieren):

• "Patriot: Jemand, dem die Interessen eines Teils über die Interessen des Ganzen gehen. Der Gimpel der Politiker und das Werkzeug der Eroberer." – Ambrose Bierce, Des Teufels Wörterbuch, Gesellschaftskritisches Wörterbuch eines Zynikers

• "Der Mensch ist ein politisches Geschöpf, das am liebsten zu Klumpen geballt sein Leben verbringt. Jeder Klumpen haßt die andern Klumpen, weil sie die andern sind, und haßt die eignen, weil sie die eignen sind. Den letzteren Haß nennt man Patriotismus." - Kurt Tucholsky (Kaspar Hauser): Der Mensch. Die Weltbühne, 16.06.1931, Nr. 24, S. 889, zeno.org

• "Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen." - Arthur Schopenhauer: Parerga und Paralipomena, Aphorismen zur Lebensweisheit, Von dem was einer vorstellt. pp. 360

• "Ich liebe mein Vaterland nicht, weil es mein Vaterland ist, sondern weil ich es schön finde. Ich habe Heimatgefühl, aber keinen Patriotismus." – Arthur Schnitzler, Aphorismen und Betrachtungen aus dem Nachlass

• "In Deutschland wählte der Patriotismus die aggressive Form. Die Liebe zum Heimischen kleidete sich in den Haß gegen Fremdes." - Walther Rathenau: Gesammelte Schriften in fünf Bänden, Bd. 4, Berlin 1918, S. 227

• "Patriotismus, der: Entflammbarer Müll, der für die Fackel des Ehrgeizlings bereit liegt, welcher seinen Namen ins rechte Licht gerückt sehen will." – Ambrose Bierce, Aus dem Wörterbuch des Teufels

• "Patriotismus ist die letzte Zuflucht des Halunken." – Samuel Johnson, The Life of Samuel Johnson, LL.D. von James Boswell, Eintrag vom 7. April 1775. London: Hutchinson & Co., 1791. Band 1, S. 211 Google Books

• "Fatal ist mir das Lumpenpack, // das, um die Herzen zu rühren, // den Patriotismus trägt zur Schau, // mit allen seinen Geschwüren." - Heinrich Heine, Deutschland. Ein Wintermärchen

• "Wer sonst gar nichts hat, der hat doch ein Vaterland. Patriotismus ist die Religion der ganz armen Schweine." - Wiglaf Droste, Kommentar in der taz, 5. Dezember 2003, taz.de

• "Heimat ist ein Ort, kein Gefühl." - Anon Un Rama, Twitter, 2017

Schon ziemlich hart, das Urteil der Größen aus Politik und Kultur, aber bestimmt zutreffend.

Aus einem Artikel von FM4:

Quote
Die Identitären: Die "Neuen Rechten" im Aufwind?

Sie bezeichnen sich als identitär, weder links noch rechts und haben doch mit dem rechtsextremen Rand eines gemeinsam: die Gegner heißen "Multikulti" und muslimische Einwanderer.

Anfang 2012 haben zehn junge Männer in Wien eine Gruppe mit dem Namen "Wiener Identitäre Richtung" gegründet - kurz W.I.R. Das Ziel der Schüler und Studenten: Der Erhalt der Wiener Identität. Nichts Verdächtiges auf den ersten Blick. Die Gründungsmitglieder eint allerdings nicht nur die Traditionspflege, sondern auch ihre rechtskonservative Gesinnung und die Angst vor dem Verlust des Wienerischen. Letzteres zu erhalten, ist aber nur ein Teil ihres Anliegens. Vielmehr haben sie angekündigt die Speerspitze einer neuen Bewegung zu sein, Sprachrohr für das "echte, wahre Wien", eine Bewegung, die ein Sammelbecken für alle Patrioten und Identitären sei, die weder links noch rechts seien, weder Rassisten noch Antisemiten, sondern Demokraten und "Ethnopluralisten", schreiben sie auf ihrer Homepage. Eine Umdeutung von belasteten Begriffen wie Volk und Rasse inklusive.

Ruhig den ganzen Artikel lesen, er ist sehr aufschlußreich. Daß solcher rechtsradikaler Bodensatz unserer Gesellschaft zu feige ist, sich offen als rechts zu deklarieren, spricht auch Bände. Genau wie daß sie sich immer in größeren Gruppen zusammenrotten und auf die vermeintlich schwächsten der Gesellschaft losgehen. Im Audimax haben sie eine friedliche Theateraufführung gewaltsam unterbrochen, aber man hat sich gewehrt, das gehört denen viel öfter. Auch bei ihren Aufmärschen kommt es jedes mal zu gewaltsamen Ausschreitungen, und immer versuchen sich die sonst so angeberischen Herrenmenschen weinerlich als arme, unschuldige und wehrlose Opfer hinzustellen. "Gewalt erzeugt Gegengewalt, hat man dir das nicht erzählt?" heißt es schon bei den Ärzten. Aber das Lied hören sie wohl nicht so gerne, weil das ist ausdrücklich über Leute wie sie, und heißt "Schrei nach Liebe". Den Refrain brauch ich hier wohl nicht zitieren.

Die Identitären machen auch kein Hehl darus, wer sie eigentlich sind. Schließlich tragen sie bei ihren Umzügen vorne immer ihre gagerlgelben Wimpel mit dem verunglückten Mazda-Logo, und hinten schwenken ein paar Patrioten russische Fahnen. Damit sind sie die Speerspitze des Putinismus in Mitteleuropa, einer politischen Strömung die sich fast ausschließlich auf Patriotismus und Führerkult gründet. Bei Putin sieht man wiederum das, was ebenfalls typisch für Patriotismus ist: wenn der große Anfürher wirtschaftspolitisch scheitert und abgewirtschaftet hat, fängt er halt einen Krieg an. Das ist nichts typisch russisches, das ist auf der ganzen Welt so. Alleine die US-Präsidenten haben das bis auf Obama in letzter Zeit alle gemacht. Reagan war ohnehin ständig im Krieg, ob offiziell oder illegal und geheim, Bush Sr. hat den ersten Irakkrieg angefangen, als die Wirtschft lahmte, als die Lewinski-Affäre aufkam hat Bill Cliton Libyen bombardiert, Bush Jr. kam 9/11 gerade recht, deshalb ja die ganzen Vorwürfe er würde selbst dahinterstecken, hatte er doch so den perfekten Vorwand für den zweiten Irakkrieg. Argentinien hat den Falklandkrieg auch angefangen, als die Wirtschaft dort an Boden war, und Thatcher hat auch nur so schnell mobil gemacht, weil sie das ebenfalls gerade bitter nötig hatte, wegen, Überrraschung, der miesen Wirtschaftslage im Land. Das sind nur einige Beispiele die zeigen, wie Patriotismus funktioniert, denn die Beliebtheitswerte beim Volk sind leider bei all den großen Führern in allen diesen Fällen steil nach oben gegangen.

Mein Lieblingspeispiel ist und bleibt aber Nicaragua. Die kommunistischen Sandinistas die dort herrschen sind natürlich notorisch pleite, dazu sind sie ja Kommunisten. Um die darbende Bevölkerung davon abzulenken, wollen sie auch ein bisschen Krieg spielen. Als Gegner kommt dafür aber nur das benachbarte Costa Rica in Frage. Die haben aber gar keine Armee, denen reicht ihr militärisches Beistandsabkommen mit den USA und anderen amerikanischen Staaten, und die Tatsache, daß sie das reichste Land weit und breit sind, und für diesen Beistand auch zahlen können. Deshalb können die Nicos die Ticos nicht wirklich angreifen. Die Sandinisas haben sich dafür aber eine Lösung ausgeacht, die auf den ersten Blich ziemlich lächerlich wirkt: im Grenzfluß zwischen den beiden Ländern gibt es eine unbewohnte Insel. Die wird von beiden Ländern beansprucht, obwohl sie eigentlich wertlos ist. Die wird dann von den Nicos bombardiert, weil das liefert tolle Bilder von Explosionen und Carracho, die braucht man, damit es nach Krieg aussieht. Die Ticos protestieren, und drohen mit dem Eigreifen ihrer Schutzmächte. Sobald Gras über die Sache, bzw Buschwerk über die zerbombte Insel gewachsen ist, geht das ganze wiede von vorne los. Alles in allem ein ziemlich fauler Zauber. Es wäre ja anzunehmen, daß auf diesen lächerlichen Theaterdonner niemand hereinfällt, wäre da nicht die Tatsache, daß die Sandinistas ihr Publikum ganz genau kennen: es sind Patrioten.

ahoy
hellboy
« Last Edit: 2017, 10, 13; 23:35:02 by hellboy »
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pet

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Du nimmst das alles zu ernst. Nicht vergessen: auch die Identitären sind nichts anderes als die Pöpö -- eine Ansammlung kleiner Verbrecher, die große Verbrecher werden wollen. Die Inhalte sind bloß ein Gimmick für kleine Leute, um sich darum zu versammeln, damit man sie dann abstieren kann. Rechte Inhalte funktionieren für sowas eindeutig besser als linke Inhalte, wie man an der KPÖ und ihren zahlreichen Frontorganisationen sehen kann. Alles Scheißdreck zum Fressen für kleine Maxis, so wie Fußball, Song-Contest, Scientology, Busenmarxismus, Ärzte ohne Grenzen, usw. usf. Betrieben von Leuten, denen nichts zu blöd ist um ehrliche Arbeit zu vermeiden. Das ist alles, was dahinter ist.

hellboy

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ich weiß eh. das war damals ein artikel auf einer anderen plattform, als reaktion auf die damalige aktion der identitären. eigentlich als antwort auf einen artikel dort, der die identitären als opfer hinstellt. hier hab ich ihn nur zu archivierungszwecken hergepickt, wegen der zitatensammlung.

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Mein Lieblingspeispiel ist und bleibt aber Nicaragua. Die kommunistischen Sandinistas die dort herrschen sind natürlich notorisch pleite, dazu sind sie ja Kommunisten. Um die darbende Bevölkerung davon abzulenken, wollen sie auch ein bisschen Krieg spielen. Als Gegner kommt dafür aber nur das benachbarte Costa Rica in Frage. Die haben aber gar keine Armee, denen reicht ihr militärisches Beistandsabkommen mit den USA und anderen amerikanischen Staaten, und die Tatsache, daß sie das reichste Land weit und breit sind, und für diesen Beistand auch zahlen können. Deshalb können die Nicos die Ticos nicht wirklich angreifen. Die Sandinisas haben sich dafür aber eine Lösung ausgeacht, die auf den ersten Blich ziemlich lächerlich wirkt: im Grenzfluß zwischen den beiden Ländern gibt es eine unbewohnte Insel. Die wird von beiden Ländern beansprucht, obwohl sie eigentlich wertlos ist. Die wird dann von den Nicos bombardiert, weil das liefert tolle Bilder von Explosionen und Carracho, die braucht man, damit es nach Krieg aussieht. Die Ticos protestieren, und drohen mit dem Eigreifen ihrer Schutzmächte. Sobald Gras über die Sache, bzw Buschwerk über die zerbombte Insel gewachsen ist, geht das ganze wiede von vorne los. Alles in allem ein ziemlich fauler Zauber. Es wäre ja anzunehmen, daß auf diesen lächerlichen Theaterdonner niemand hereinfällt, wäre da nicht die Tatsache, daß die Sandinistas ihr Publikum ganz genau kennen: es sind Patrioten.

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Schuttwegraeumer

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Ich halte die Identitären für eine vorübergehende Erscheinung.
Die Themen die diese haben werden uns aber noch länger beschäftigen.