Author Topic: Privat oder Staat  (Read 1011 times)

Gamoder

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Privat oder Staat
« on: 2014, 06, 23; 17:18:22 »
Quote from: 'schefetasch
Dass die Regierungen also deshalb ihre Apparate losschicken um überall Daten abzusaugen, um nicht von den Konzernen unterlaufen oder gar abhängig zu werden?
Heißt das, du findest staatliche Wirtschaftsspionage toll?
Ist China da dein Vorbild?
Quote from: 'schefetasch'
Wir reden hier übrigens über demokratisch legitimierte Regierungen und undemokratisch operierende Konzerne.
"Demokratisch legitimiert" ist noch kein Qualitätsmerkmal. Tatsächlich ist es bei Konzernen (jedenfalls bei B2C-Konzernen) ähnlich wie bei Politikern: Sie müssen - im Idealfall - das tun, was die Leute wollen, weil sie sonst Gefahr laufen, nichts mehr zu verkaufen bzw. abgewählt zu werden. Praktisch ist das weder bei Regierungen noch bei Konzernen der Fall, aber prinzipiell sehe ich da beides in etwa gleichrangig: (Große) Konzerne sind gebietsmäßig unbeschränkt, aber thematisch beschränkt während Regierungen gebietsmäßig beschränkt, aber thematisch unbeschränkt sind.

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attx

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Re: Privat oder Staat
« Reply #1 on: 2014, 06, 23; 21:13:49 »
"Demokratisch legitimiert" ist noch kein Qualitätsmerkmal.
Ich begebe mich jetzt off topic, aber das ist ein Volltreffer.


Quote from: 'Gamoder'
Tatsächlich ist es bei Konzernen (jedenfalls bei B2C-Konzernen) ähnlich wie bei Politikern: Sie müssen - im Idealfall - das tun, was die Leute wollen, weil sie sonst Gefahr laufen, nichts mehr zu verkaufen bzw. abgewählt zu werden.

Einspruch.
Konzerne Unternehmen unterscheiden sich von den "demokratisch Legitimierten" dadurch, dass sie in der Regel
wirtschaften, haushalten und denken müssen.
Dabei werden sie von den "demokratisch Legitimierten" in der Regel
drangsaliert.
Manche Unternehmen Konzerne bestechen dann die "demokratisch Legitimierten",
was auch nicht gut ist.

Eines ist aber immer: Die "demokratisch Legitimierten" scheinen das Gefüge zu stören.




attx

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Re: Privat oder Staat
« Reply #2 on: 2014, 06, 23; 21:39:49 »
Noch mehr OT:
(helly kann das gerne verschieben, wo es hingehört.)

Schön, dass wir hier in Kontakt bleiben #Gamoder und #schefetasch


schefetasch

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Re: Privat oder Staat
« Reply #3 on: 2014, 06, 24; 09:25:25 »
Quote from: 'schefetasch
Dass die Regierungen also deshalb ihre Apparate losschicken um überall Daten abzusaugen, um nicht von den Konzernen unterlaufen oder gar abhängig zu werden?
Heißt das, du findest staatliche Wirtschaftsspionage toll?
Ist China da dein Vorbild?

Die Analyse war diesbezüglich wertfrei. Es geht nicht um Vorbilder, es geht um Motive. Sieh dir doch die Situation an: Die libertäre Weltordnung erlaubt Unternehmen Dinge, die ein Staat nicht machen darf. Dummerweise sind einige dieser Unternehmen bereits riesengroß und operieren über Staaten und Rechtssysteme hinweg.

Die Staatenlenker sehen sich nun genötigt, am Willen des Volkes und ihren Verfassungen vorbei ihre Geheimdienste einzuspannen, um in diesem Kampf um die Datenvorherrschaft nicht ins Hintertreffen und in die (datenmäßige) Abhängigkeit von einigen Unternehmen zu geraten. Ich finde diesen Denkansatz diskussionswürdig.


Quote from: 'schefetasch'
Wir reden hier übrigens über demokratisch legitimierte Regierungen und undemokratisch operierende Konzerne.
"Demokratisch legitimiert" ist noch kein Qualitätsmerkmal.

Die demokratische Legitimation hat grundsätzlich nichts mit Qualität zu tun, wie man v.a. an unserem politischen Personal mühelos erkennen kann. Darum geht es also nicht. Es geht darum, mit welchen Sanktionen Personen rechnen müssen, wenn die Dinge mal schiefgehen.


Tatsächlich ist es bei Konzernen (jedenfalls bei B2C-Konzernen) ähnlich wie bei Politikern: Sie müssen - im Idealfall - das tun, was die Leute wollen, weil sie sonst Gefahr laufen, nichts mehr zu verkaufen bzw. abgewählt zu werden. Praktisch ist das weder bei Regierungen noch bei Konzernen der Fall, aber prinzipiell sehe ich da beides in etwa gleichrangig: (Große) Konzerne sind gebietsmäßig unbeschränkt, aber thematisch beschränkt während Regierungen gebietsmäßig beschränkt, aber thematisch unbeschränkt sind.

Dem stimme ich zu. Gleichrangig sind sie mMn aber nicht, da sich die Führungsstrukturen in Konzernen völlig anders bilden als in Regierungen. Führungen in Konzernen bilden sich durch Elitenstrukturen, die durch heftige gläserne Decken geschützt sind. Das war in der Politik zwar auch der Fall, aber Newcomer wie die Grünen oder die Neos, aber auch die FPÖ, zeigen, dass es nach wie vor Wettbewerb in der Politik gibt. Die Schwierigkeit, die ich mit den besonders großen Konzernen habe, ist die, dass diese mittlerweile in der Lage sind, für sich den Wettbewerb auszuschalten ("too big to fail") während der aber für kleinere Unternehmen nach wie vor in voller Härte gilt.

hellboy

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Re: Privat oder Staat
« Reply #4 on: 2014, 06, 25; 00:47:52 »
das alte dilemma: je größer ein unternehmen wird, desto mehr kann es für sich extrawürschteln herausholen, die es noch schneller wachsen lassen. das ist bei korrumpierbaren staatlichen strukturen noch schneller der fall. korumpierbar sind leute, die wenig verdienen. wenn aber politiker und beamte zuviel verdienen, ist es wieder nicht recht. leider sind meistens die politiker am korruptesten, die eh schon am meisten verdienen. die machen die politik-jobs nämlich nur, weil sie dort so viel verdienen. das ist aber ein problem der auswahl der funktionäre. man kann halt in die leute leider nicht reinschauen, und vor der wahl sagen eh alle, es ginge ihnen nur um die sache. aber wenn es eh schon wurscht ist, kann man doch gleich die nehmen, die es auch billiger machen. solange ich keine garantie habe, daß die leute koscher sind, kann ich gleich schweine nehmen.

die vorstände der internationalen unternehmen werden übrigens von den aktionären basisdemokratisch gewählt, wobei man sich stimmrechte kaufen muß, und auch je nach anteil der aktien stimmgewicht dazukriegt. die probleme dabei sind dieselben wie in der politik: da mensch is a sau.



ahoy
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« Last Edit: 2014, 06, 25; 00:50:49 by hellboy »
Darwin was wrong.                   i'd rather be morally right
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attx

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Re: Privat oder Staat
« Reply #5 on: 2014, 06, 25; 01:38:45 »
das alte dilemma: je größer ein unternehmen wird, desto mehr kann es für sich extrawürschteln herausholen, die es noch schneller wachsen lassen.
Unternehmen sind dazu da, Gewinne zu erwirtschaften.
Nur in sozialistisch/kommunistischen Strukturen wird der Unternehmer als Arbeitsplatzbeschaffer gesehen.
Wenn ich ein Unternehmen gründe und entwickle (mit eigenem Risiko!) möchte ich die Erfolge einstreifen. Völlig legitim.


Quote from: 'hellboy'
das ist bei korrumpierbaren staatlichen strukturen noch schneller der fall. korumpierbar sind leute, die wenig verdienen. wenn aber politiker und beamte zuviel verdienen, ist es wieder nicht recht. leider sind meistens die politiker am korruptesten, die eh schon am meisten verdienen.

Folgendes Gedankenexperiment: Denke die Beamten und Politiker weg.
Dann verschwindet (wie von Zauberhand) die Korruption.
Kein Mensch braucht einen Politiker. Niemand braucht ab einem bestimmten Alter eine Gouvernante, die ihm das Denken abnimmt. Nur Kinder brauchen das. Dafür haben sie ja Eltern. Und Unmündige: Die brauchen auch einen Vollkasko-Staat. (Der ihnen Glühbirnen vorschreibt, weil sie ja selbst zu deppert sind.)


Quote from: 'hellboy'
die vorstände der internationalen unternehmen werden übrigens von den aktionären basisdemokratisch gewählt, wobei man sich stimmrechte kaufen muß, und auch je nach anteil der aktien stimmgewicht dazukriegt.

Kleine Korrektur:
Die Vorstände werden nicht von den Aktionären gewählt.
Die Aktionäre wählen den Aufsichtsrat. Der wiederum setzt einen Vorstand ein.
Und ja: Wer zahlt ("Eigentum!") schafft an. Ist nicht verwerflich.
In meinem Garten bestimme ICH, was ich anpflanze und was ich fressen will: Dazu brauche ich keine Umverteiler
oder selbsternannte Bevormunder,
die mir Vorschriften machen.

Quote from: 'hellboy'
die probleme dabei sind dieselben wie in der politik: da mensch is a sau.

Gutes Video. : )
Trotzdem: Der Mensch ist grundsätzlich auch ein soziales Tier.


hellboy

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Re: Privat oder Staat
« Reply #6 on: 2014, 06, 25; 02:42:58 »
Hab doch gewusst, daß du die verkürzte Beschreibung der Unternehmensstruktur nicht gelten lassen wirst. ;-)

Es geht mir um die Spielregeln. Die gelten für die kleinen, aber umso größer die Buden werden, desto mehr Vorteile schlagen sie für sich heraus. Diese werden dann auch noch von korrupten Politikern institutionalisiert. Leider sind die nicht korrupten Politiker, die es Gerüchten zufolge auch irgendwo geben soll, die einzige Chance, dem entgegenzuwirken, solange es keine direkte Demokratie und keine weisungsfreie Justiz gibt.

ahoy
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schefetasch

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Re: Privat oder Staat
« Reply #7 on: 2014, 06, 26; 15:28:23 »
Die ganze weisungsfreie Justiz hilft dir nichts, wenn die handelt nach Recht und Gesetz. Und die Politiker stricken sich Recht und Gesetz zurecht. Dagegen wird auch die vielgerühmte Basisdemokratie nichts ausrichten, denn die lässt sich hervorragend ausspielen, in dem man ihnen kleine Krümelchen hinwirft, an denen sie sich herumbalgt während die anderen die relevanten Entscheidungen vorbereiten und durchpeitschen.

hellboy

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Re: Privat oder Staat
« Reply #8 on: 2014, 06, 26; 19:34:08 »
Ja das ist doch genau der politische Ansatz der Piraten: Transparenz und informationsfreiheit sind Grundvoraussetzung für Basisdemokratie. Bei Volksentscheiden müssen alle zur Abstimmung stehenden Positionen im gleichen Umfang propagiert werden. In Deutschland gibt es ja schon Regelungen für politische Werbung, die entsprechend adaptiert gehören.

Die Basisdemokratie ist zwar dadurch diskreditiert worden, daß ein Haufen unterbelichteter Politparvenüs und degenerierter provinzfaschisten bei der piratenpartei genau das Gegenteil gemacht, das ganze trotzdem so genannt, also genau das was du hier beschreibst getan, und dann "seht ihr: funktioniert nicht!" geschrien haben, trotzdem haben wir, bevor dieses Gesocks bei uns aufgetaucht ist, für kurze zeit eine funktionierende Basisdemokratie bei den Piraten erlebt, und das werden wir auch wieder.

Was der Korruption entgegenwirkt sind die der Basisdemokratie inhärente Transparenz und die allgemeine Teilhabe. Früher gab es zb ständige kontrollausschüsse des Parlaments. Das würde sich zb für den Rechnungshof, die Nationalbanken und die öiag empfehlen, das könnte man jetzt schon umsetzen. Hat nur leider bisher nicht den Weg in ein Wahlprogramm der Piraten gefunden.

ahoy
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Re: Privat oder Staat
« Reply #9 on: 2014, 06, 30; 19:34:25 »
Zum Thema „weniger Staat“ gibt es ausgerechnet im linksversifften Standard einen durchaus lesenswerten Ansatz:

http://derstandard.at/2000002450257/Eigentum-ist-das-Ergebnis-von-Freiheit

Quote from: 'Standard'
Eigentum ist das Ergebnis von Freiheit

Mehr und vor allem noch viel breitere Eigentumsbildung kann es nur geben, wenn es mehr Freiheit für Bürger und daher weniger Staat gibt. Mit Österreichs Staatsquote von 51,2 Prozent und einer Steuer- und Abgabenquote von 45,4 Prozent sind die Spielräume, das selbst verdiente Geld nach eigenem Ermessen zu verwenden, massiv beschränkt. Kein Wunder, dass der Eigentumsaufbau für breite Schichten immer schwerer fällt, und dass es auch an privatem Startkapital für Unternehmensgründungen und an Wachstumsfinanzierungen für bestehende Unternehmen fehlt.

Die eigentliche Kernaussage:

Quote from: 'Standard'
Die Freiheit ist der Kern- und Leitwert unserer Gesellschaftsordnung – und nicht eine staatlich produzierte materielle Gleichheit.

Hatten nicht auch mal die Piraten dem Freiheitsgedanken einen vorrangigen Stellenwert gewidmet?
Ich erinnere mich an eine Diskussion mit c3ro im Wien-Forum, der damals erklärte, dass die Piraten „keine Freiheitspartei sind“. 


attx

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Re: Privat oder Staat
« Reply #10 on: 2015, 04, 22; 20:45:08 »
Sehr lesenswerter Essay in der NZZ:

Quote from: 'NZZ'
Liberale sind skeptisch und rebellisch

...

Liberale nehmen drittens zuerst das Individuum in den Blick. Darin unterscheiden sie sich von Sozialisten, Sozialdemokraten und Konservativen, die einen anderen Fixpunkt besitzen: das Kollektiv in seiner Ausprägung von der Wohnbaugenossenschaft bis hin zur Nation. Im letzten Jahrhundert nahm der Kollektivismus in Gestalt von Nationalsozialismus und Kommunismus mörderische Züge an;

...

Viertens sind Liberale skeptisch gegenüber allen Heilsversprechen und allen Ideologien, auch hierin unterscheiden sie sich von Links und Rechts.
http://www.nzz.ch/meinung/kommentare/liberale-sind-skeptisch-und-rebellisch-1.18523027

Fazit:
Ein Pirat ist zwingend liberal.
Wer andares behauptet soll sich zu den andaren schleichen.

Fazit 2:
Im NZZ-Artikel kann man das Gedankengut unseres helly ganz gut erkennen.

PS: Liberal zu sein ist ein Qualitätssiegel, kein Schimpfwort.



hellboy

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Re: Privat oder Staat
« Reply #11 on: 2015, 04, 23; 00:18:39 »
sehr cool, daß du den gefunden hast! Den hab ich nämlich gelesen und genial gefunden, aber vergessen hier zu verlinken.

👍

ahoy
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